Perform Yourself - PROBIEREN_(SC) 

Blockstruktur: 2
Nummer und TypBTH-BTH-L-0023.22H.003 / Moduldurchführung
ModulModulvorlage VSC/VTP/VRE/VDR_3 
VeranstalterDepartement Darstellende Künste und Film
LeitungMoritz Sauer (MoSa)
Anzahl Teilnehmende3 - 8
ECTS3 Credits
LehrformSeminar/Probe/Veranstaltungsbesuche
ZielgruppenL2 VSC
Lernziele / KompetenzenDie Studierenden erarbeiten eine Performance auf Basis autofiktionalem Materials.
InhalteIm sechswöchigen Workshop PERFORM YOURSELF werden den Studierenden Methoden vorgestellt, wie sie autofiktionales Material generieren. Gemeinsam diskutieren und probieren sie unterschiedliche Möglichkeiten aus, eine Version ihres Selbst auf der Bühne zu sein und aktiv mit Persönlichem künstlerisch umzugehen. Sie lernen verschiedene Methoden autofiktionalen Schreibens, Feedback-Techniken, Grundlagen der Dramaturgie und Theorie von Autofiktionalität und nehmen, falls sie möchten, an Stand-Up Comedy Open Mic’s Teil, um neues Material vor Publikum zu prüfen. Ausserdem bekommen sie die Möglichkeit sich mit Autor:innen aus den Bereichen Stand-Up, Theater und Literatur über das Selbst in eigener künstlerischer Praxis auszutauschen. Ein grosser Teil der im Kurs behandelten Materialien werden im englischen Original rezipiert. Der Kurs wird, nach Absprache mit den Teilnehmenden, mit einer eigens erarbeiteten autofiktionalen Performance abgeschlossen. Bitte im Punkt "Bemerkungen" die ausführlichen Informationen lesen.
Bibliographie / LiteraturLiteratur-Beispiele:
Pitts, Johny: „Afropean: Notes from Black Europe”. Penguin UK 2019.
Eribon, Didier: „Rückkehr nach Reims“. Suhrkamp Taschenbuch 2016.
Machado, Carmen Maria: „In the Dream House“. Serpent's Tail 2020.
Myles, Eileen: „Chelsea Girls“. Black Sparrow Press. Santa Rosa - 1994.
Vuong, Ocean: „On Earth We're Briefly Gorgeous.“ Penguin LCC US 2019.
Chee, Alexander: «How to write an autobiographical novel. Bloomsbury Publishing 2018.

Film/TV Shows:
Wang, Lulu: «The Farewell» (2019)
Coel, Michaela: «Chewing Gum» (2015-2017)
Waller-Bridge, Phoebe: «Fleabag» (2016-2019)

Produktion:
Coel, Michaela: «Misfits: A Personal Manifesto» Ebury 2021.
Soloway, Joey: “She Wants It: Desire, Power, and Toppling the Patriarchy” Soloway Books 2018.

Weiteres Feld:
Gümüşay, Kübra: Sprache und Sein. Hanser Berlin 2020.
Eddo-Lodge, Reni: «Why I’m No Longer Talking to White People About Race». Bloomsbury Publishing 2019.
Lorde, Audre: «Sister Outsider». Crossing Press 2007.
Baldwin, James: «The Fire Next Time». Vintage 1992.
Arao, Brian and Clemens, Kristi: „From Safe Spaces to Brave Spaces. A New Way to Frame Dialogue Around Diversity and Social Justice“ In: Landreman, Lisa M. (Edt.): „The Art of Effective Facilitation“. Stylus Publishing 2013.
Emcke, Carolin und Fritzsche, Laura (Interview): »Wir sind schon da« Süddeutsche Zeitung Magazin https://sz-magazin.sueddeutsche.de/kunst/Schauspielendeinnen-Schauspielende-coming- out-89811.
Leistungsnachweis / Testatanforderunggem. Angaben der/des Modulverantwortlichen
TermineRaum: 1 grosser Proberaum + 1 mittlerer Proberaum für Selbststudium
DauerAnzahl Wochen: 6 (HS: Wo:44-49) / Modus: 4x3h/Wo + 1x3h/Wo Selbststudium gem. Stundenplan_Mo/Di/Mi/Do/Fr, 10.30-13.30h
Selbststudiumszeit pro Semester: ca. 18h
Bewertungsformbestanden / nicht bestanden
BemerkungHINTERGRUND

In den letzten Jahren hat sich im deutschsprachigen Raum und im Theaterbereich die Bedeutung von Schauspielende als Bindeglied zwischen Autor*innen, Regisseur*innen und Publika verändert. Mit dem Aufkommen neuer Arbeitsformen, wie kollektiven Arbeitsprozessen, ändern sich auch die Anforderungen an die Schauspielenden. Sie sind nicht nur Darstellende, sondern auch zu Forschende in einem Teamkomplex und werden zu Zeug*innen ihrer eigenen gelebten Erfahrungen: Sie werden zu Ko-Autor*innen auf der Bühne - oft durch autofiktionales Erzählen.

In immer mehr prozessbasierten Arbeiten schreiben Schauspielenden, sie erschaffen selbst Figuren innerhalb des Prozesses mit dem Werkzeug des Niederschreibens der eigenen gelebten Erfahrung, des Zusammensetzens ihrer Biographie, durch «Retusche, Stilisierung, Auslassungen, Verfremdungen, Erfindungen…». Die eigene Perspektive zu kennen oder sich dafür zu entscheiden, einen Aspekt der eigenen Identität in den Vordergrund zu stellen und mitzuteilen, ist eine neue Herausforderung in kollaborativen Gruppenarbeiten, aber auch für Künstler*innen, die ihr eigenes (Solo-)Werk erschaffen. Der Akt des Schreibens wird für Schauspielende immer wichtiger und bietet neben der Selbsterkenntnis auch eine Form der Selbst-Konstitution, der Selbst-Erschaffung auf der Bühne: Ein Mensch performt sich selbst, und indem er sich auf einer Bühne performt, erschafft er sich ein Selbst.

Das heisst also: Wenn es darum gehen soll, künftig neue, vielfältige, komplexe Texte bzw. inhaltliche Grundlagen für Performances zu schaffen, müssen die Autor*innen die eigene Identität von innen und von aussen betrachtet haben, sie sich zu einem gewissen Teil auch wieder auf Distanz gebracht haben: Welche Stereotypen werden ihnen auferlegt? Wodurch unterscheiden sich ihre Ansichten von denen der Menschen in ihrer Umgebung? Was sind die soziopolitischen und kulturellen Faktoren um sie herum, und wie können sie diese nicht nur kommentieren, sondern auch dafür sorgen, dass sie sich in diese hineinversetzen und Ihre persönliche Geschichte erzählen, ohne dabei den Bezug zur Realität zu verlieren?

Das Aufbrechen der Identitätskonstruktionen durch vielfältige Perspektiven kann eine grosse Bereicherung darstellen. Wenn mehr als eine Person einen Text schreibt, ist die Möglichkeit für unterschiedliche Perspektiven fast automatisch gegeben. Es ist anders, nicht mehr oder weniger gültig, nur anders, wenn ein Autor allein schreibt, als wenn Menschen zusammenschreiben, unterscheiden sich die Ideen, Hintergründe, Phantasien wirklich, und zusammen können sie etwas schaffen, das es ohne das Gespräch in der Gemeinschaft nicht gegeben hätte. Ausserdem werden Geschichten zugänglicher und realer, wenn sie aus der eigenen Erfahrung heraus geschrieben werden und nicht „nur recherchiert“ sind. Genau an diese neuen Arbeitsweisen werden die Studierenden im PERFORM YOUR SELF herangeführt: nur für sich alleine oder in einer Gruppe aber in jedem Fall vom eigenen Leben hin zu Text bzw. Ausgangsmaterial von Performances.

AUFBAU

Vor Beginn des Kurses werden die Studierenden befragt, ob es Themen gibt, denen sie sich gerne annähern möchten. Sollten sie selbst Schreibpraktiken führen, sind sie gebeten diese mit der Gruppe zu teilen. Alle Studierenden sollen ab Beginn des Kurses ein Tagebuch führen.

In den ersten zwei Wochen wird eine Umgebung zu schaffen, die es den Teilnehmern ermöglicht, sich gegenseitig auszutauschen. Anhand von zeitgenössischen Beispielen in Film, Theater und Literatur finden wir einen Einstieg in die Thematik. Gespräche sollen eröffnet werden, um den Prozess des Brainstormings über ein mögliches gemeinsames Thema zu starten, nicht nur am Tisch, sondern auch durch Körperübungen und Meditationen. Ausserdem werden der Stand-Up Comedian Ahmet Bilge, Theater- und Literatur-Autor*in Jchj V. Dussel und die Schauspielern Orit Nahmias (die auch das Alter Ego der israelischen Autorin und Regisseurin Yael Ronen genannt wird) eingeladen online Einblicke in ihren eigenen Schreib- und Performanceprozess zu geben.

In der dritten und vierten Woche bekommen die Studierenden viel Zeit für ihr Schreiben, um eine eigene Idee, z.B. einen Monolog für sich selbst auszuarbeiten, der aus den Gesprächen hervorgeht. Es können auch Dialoge oder andere Szenen Ideen konzipiert werden. Die Idee ist, sich gemeinsam vorzustellen und zu diskutieren, was da ist, was fokussiert werden muss usw. Es werden nicht nur Fragen des Stils, sondern auch des Inhalts und der Klarheit gestellt. Wie weit muss man sich von seinen eigenen Erfahrungen entfernen, um ein Stück zu formen, das die Grenze zwischen dem Persönlichen und dem Politischen ausbalanciert? Wie kann man mit Menschen arbeiten, die von sich selbst erzählen und über Umschreibungen diskutieren - wie weit mischt man sich in ihr persönliches Leben ein? Wir werden uns auch mit Fragen der Übersetzung beschäftigen: was macht das Schreiben in meiner Muttersprache anderes mit mir, als Schreiben in einer Fremdsprache? Die Studierenden werden angehalten, falls es für sie von Interesse ist, Open Mic’s für Stand-Up zu besuchen, um neues Material zu prüfen.

In den letzten beiden Wochen werden die Teilnehmer sich selbst inszenieren und in diesem Prozess durch den Dozierenden begleitet. Gemeinsam werden sie versuchen herauszufinden, was sich ändert, wenn man einen selbst geschriebenen Text aufführt, einen Text, der vielleicht autobiografisch ist. Wie verändern sich die Anforderungen an die Aufführung? Was ändert sich für sie, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Leute alles mit Ihrer eigenen Geschichte in Verbindung bringen - welchen Rahmen legen sie für die Aufführung im Vorfeld fest? Können Sie akzeptieren, dass nicht ihre Geschichte beurteilt wird, sondern die Geschichte? Ist es hilfreich, nicht mit Ihrem tatsächlichen Namen zu arbeiten? Wie können sie eine Version Ihres Selbst aufführen, kommunizieren und inszenieren?

INHALTE FÜR STUDIERENDE
  • Theorie zu Autofiktionalität / Literatur
  • Techniken autofiktionalen Schreibens (Tagebuch, Schreibübung, Improvisation, Stand-Up)
  • Kennenlernen von Schreibpraktiken von anderen Autor*innen (Stand-Up, Theater, Literatur)
  • Körper bzw. Bewegungsübungen
  • Feedback-Tools
  • Grundlagen der Dramaturgie und Materialsammlung
  • Teilnahme an mindestens einem Open Mic in Zürich
  • Erarbeiten einer autofiktionalen Performance
BIORGAPHIE

Moritz Sauer (er/ihn) moderiert seit zehn Jahren Projekte als Autor, Regisseur, Dramaturg, Performer und Produktionsleiter. Er arbeitet mit Menschen, deren Gehirne er liebt, und gemeinsam erschaffen sie Räume für persönlichen und künstlerischen Austausch über politische Themen. Er entwickelte an oder in Zusammenarbeit mit Institutionen wie dem Maxim Gorki Theater, dem Studio Я, dem Internationalen Theaterfestival MESS/Scene MESS, dem Bosnischen Nationaltheater Zenica, dem Ballhaus Ost Berlin, der Dampfzentrale Bern und dem Tanzhaus Zürich, sowie den Festivals zadar snova und Open Futures; er wurde alleine oder als Teil von Kollaborationen zum Spieltriebe 8 Festival des Theaters Osnabrück, dem 22.figuren.theater.festival Erlangen, sowie dem Zoom-In Festival von Nachtkritik.de eingeladen. Er mitbegründete das Duo BR*OTHER ISSUES, das Kollektiv fag gods & friends und den Verein COSMIC RELATIONS*. Im Januar 2022 schloss er sein MA Studium in Schauspiel an der ZHDK ab. Er lebt und arbeitet in Zürich und Berlin.
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