Positionen und Diskurse in den Künsten und im Design: Die Kunst, zu verlernen … 

Andere(s) Wissen, Un-/Learning, epistemologische Krise, die Krise der Kritik, ein Neues Alphabet … seit Jahren proklamieren Titel von Veranstaltungsreihen wie Publikationen die Notwendigkeit, sich einem Umdenken zu widmen – falls Denken dafür überhaupt noch der richtige Begriff ist. Körper, Sinne, Praktiken stehen in einem neuen Licht der Theorie. Es geht darum, die gewaltvolle Geschichte der Moderne kritisch zu reflektieren und nach anderen Möglichkeiten zu suchen – auch in den Praxisfeldern, in denen wir täglich tätig sind, egal ob im eigenen künstlerischen Tun oder beim Unterrichten, Publizieren, Kuratieren usw. Denn dabei geht es immer auch um Ein- und Ausschlussverhältnisse, also um Machtverhältnisse, in die wir als historisch gewordene Subjekte einbezogen sind. Diese Machtverhältnisse erweisen sich als erstaunlich langlebig. Pierre Bourdieu hat mit seiner Habitus-Theorie eine mögliche Erklärung dafür vorgelegt: Er versteht Habitus als körperliche Einschreibung von Denk- und Lebensstilen, von Geschmack und Privilegien. Machtverhältnisse sind demnach nicht nur ein Ergebnis von Ideologie, sondern eine Verkörperlichung sozialer Strukturen. In den modernen Künsten wurde seit Beginn des 20. Jahrhunderts wiederholt nach kritischen Praktiken zur Selbstaufklärung der Gegenwart gesucht. So beanspruchen auch aktuelle Beispiele, Gewohnheiten und ihren gewaltvollen Verstrickungen auf die Schliche zu kommen oder gar Alternativen anzubieten.

Habitualisierte soziale Strukturen aber kann man nicht einfach ablegen, sondern es bedarf nach Bourdieu einer «Gegendressur». In der Gendertheorie könnte man diesen Prozess mit Judith Butler auch als «undoing» bezeichnen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei Bildungsprozessen zu, die uns massgeblich prägen. So ist es nicht verwunderlich, dass in den letzten Jahren ein verstärktes Interesse an Konzepten des aktiven «Ver-Lernens» entstanden ist. Gayatri Spivak hat für die postkoloniale Theorie die Notwendigkeit unterstrichen, Privilegien zu verlernen. Und Donna Haraway fordert ein «Learning to stay with the trouble”. Für viele steht mittlerweile ausser Frage, dass die Denktradition der europäischen Aufklärung mit ihrem Latein am Ende sein sollte. Und genauso fühlt es sich für all diejenigen an, die sich weniger auf ihr in Schule und Studium akkumuliertes Wissen verlassen wollen als auf ihre damit erworbene Fähigkeit, Dinge infrage zu stellen – einschliesslich ihrer selbst. Aber so sehr Selbstkritik als Tugend gilt, so schwer ist sie zu vollziehen. Das merken nicht zuletzt wir selbst, die wir diese Texte lesen und diskutieren. Wir fühlen uns angesprochen, aber auch in Frage gestellt. Gemeinsam mit Gästen aus Theorie und Praxis wollen wir im Rahmen der Vorlesungs- und Kolloquienreihe erörtern, was die «Kunst, zu verlernen» sein könnte.

Wird auch angeboten für

Nummer und Typmae-mtr-100.22H.001 / Moduldurchführung
ModulPositionen und Diskurse in den Künsten und im Design 
VeranstalterDepartement Kulturanalysen und Vermittlung
LeitungSigrid Adorf, Soenke Gau
ZeitMo 26. September 2022 bis Di 29. November 2022
Montag, 18.00 bis 20.00 Uhr Vorlesung
Dienstag, 10.00 bis 12.00 Uhr Seminar
OrtSeminarraum ZT 4.T37 Toni-Areal, Seminarraum ZT 4.T37, Pfingstweidstrasse 96, 8005 Zürich
ECTS2 Credits
VoraussetzungenFür MAE Studierende: keine

Für Studierende anderer Studiengänge bzw. Vertiefungen der ZHdK, im Rahmen der geöffneten Lehrveranstaltungen:
Einschreibung über ClickEnroll
https://intern.zhdk.ch/?ClickEnroll
LehrformVorlesung, Kolloquium, Übung
ZielgruppenMAE Studierende Kunstpädagogik
MAE Studierende Curatorial Studies
MAE Studierende Kulturpublizistik
MTR-Studierende
und Interessierte anderer Studiengänge bzw. Vertiefungen der ZHdK
Lernziele / KompetenzenLernziel Wissen:
  • Positionen, Diskurse und Entwicklungen in den Künsten und im Design der Gegenwart (seit ca. 1960) exemplarisch kennen und vertiefen.
    Lernziel Methode:
  • Diskurse im Themenfeld verstehen, einordnen und analysieren.
  • Umgang mit und kreative Aneignung von theoretischen Begriffen, Denkbildern, Konzepten üben.
  • Umgang mit Gästen und deren Inputs, spontane Reaktion auf das Gehörte üben.
    Lernziel Haltung:
  • Eigenständige, reflektierte und kritische Haltung gegenüber den vorgestellte Positionen entwickeln.
InhalteDas konkrete Programm wird vor dem Start der Veranstaltung bekanntgegeben.
Bibliographie / LiteraturEin Reader wird zu Beginn der Veranstaltung digital abrufbar sein.
Leistungsnachweis / TestatanforderungLeistungsnachweis in Form einer verantwortlichen Beteiligung an einem Termin mit Gast im Rahmen einer Gruppenarbeit und regelmässige, aktive Teilnahme in der Gruppe und im Plenum.
Feedback und Bewertung (bestanden/nicht bestanden) aufgrund des Übungsresultates und der aktiven Teilnahme, 80 % Anwesenheit (mit Unterschriftenkontrolle).
TermineHerbstsemester 2022

26.9 bis 29.11.2022

03.10.22, 16:15 Uhr
Jule Govrin (Philosophin und politische Autorin, IfS, Frankfurt a. M.) im Gespräch mit Svenja Goltermann (Historikerin, UZH);
Politische Körper
In Kooperation mit ZKK und Kulturanalyse (UZH)
Ort: KOL, Rämistrasse 71, 8001 Zürich; Raum: G-204

17.10.22, 18:30-20:00
George Mahashe (Künstler, Johannesburg/Zürich)
Artist Talk
In Kooperation mit "Kein Kino", Kino Toni

31.10.22
Annette Krauss, Künstlerin und Pädagogin, HKU Utrecht/AbK Wien
Unlearning in the vortex of institutional lives
Some notes on the material, artistic and political dimensions on processes of unlearning

07.11.22, ZOOM
Nora Sternfeld, Kunstvermittlerin und Kuratorin HFBK Hamburg/Wien
Verlernen in Kontaktzonen
Kollektive Kunst und Vermittlung in geteilten Räumen

14.11.22
Jovita dos Santos Pinto, Historikerin und Kulturwissenschafterin, IZFG, Uni Bern
«Kritisches Fabulieren» und Schweizer Geschichte. Schwarz-feministische Imagination und Historiografie

21.11.22
Jens Kastner, Soziologe und Kunsthistoriker, AbK und Uni Wien
Problem Privilegiencheck.
Überlegungen zum Verlernen des künstlerischen Habitus

28.11.22, ZOOM
Nora Landkammer, Kunstvermittlerin und Forschende, Wien, Kunstuni Linz und ZHdK
Das Museum verlernen?
Kolonialität und Vermittlung in ethnologischen Museen


Mo 18.00 bis 20.00 Vorlesung
Di 10.00 bis 12.00 Seminar

Kein Unterricht am 24./25.10 wegen Herbstakademie
Bewertungsformbestanden / nicht bestanden
BemerkungUnterrichtssprache ist Deutsch.
The seminar will be held in German.

Ab dem Studienjahr 2021-2022 gilt für MAE-Studierende, dass sie Veranstaltungen, die im Vorlesungsverzeichnis unter Basisprogramm ausgeschrieben sind, in einem Umfang von zehn ECTS besuchen müssen. Die restlichen zehn ECTS können auch in anderen Veranstaltungen (z.B. in geöffneten Lehrveranstaltungen, im Shared Campus, in aussercurriculären Projekten, Labs oder in Form von persönlichen Projekten) absolviert werden. Adressat:innen für zugehörige Verständigungen sind Ruedi Widmer als Basisprogramm-Verantwortlicher oder die Vertiefungsleiter:innen.
Termine (17)