Projekttage 4: Modelling Gaia # Biosphäre Entlebuch (Exkursion) (gLV) 

Wird auch angeboten für

Nummer und TypMTR-MTR-1009C.22F.004 / Moduldurchführung
ModulProjekttage 
VeranstalterDepartement Kulturanalysen und Vermittlung
LeitungPatrick Müller, Irene Vögeli
Zeit
Mo 20. Juni 2022 bis Fr 24. Juni 2022
OrtExkursion
Anzahl Teilnehmende3 - 11
ECTS1 Credit
Voraussetzungen(D)
Teilnahme am gleichnamigen Lab, das während des Semesters 14-täglich stattfindet.
(E)
Participation in the Lab of the same name, which takes place every 14 days during the semester.
LehrformWorkshop
ZielgruppenWahlpflicht für Studierende MA Transdisziplinarität

Geöffnete Lehrveranstaltung für Studierende anderer Studiengänge der ZHdK. Einschreibung über ClickEnroll https://intern.zhdk.ch/?clickenroll
Inhalte(D)
Was sollen wir tun, wenn wir uns mit einer ökologischen Krise konfrontiert sehen, die keiner der bisher bekannten Krisen ähnelt? Was soll man tun, wenn die damit verbundenen Fragen viel zu gross sind? Um unseren Ohnmachts- und Schuldgefühlen im Zeitalter des «Anthropozäns» entgegenzuwirken schlägt Bruno Latour vor, vorherrschende Vorstellungen unseres Planeten zu überdenken und uns vom Bild des «blauen Planeten», das sich nur einem Blick von ausserhalb, einer Sicht von nirgendwo bietet, zu lösen. Die «Gaia-Grafie», die Latour entwickelt, geht von einer Erde als heterogenem Phänomen aus, das durch die Handlungen und Interaktionen vieler verschiedener lebendiger und nichtlebendiger Agenten erzeugt wird, die sich nicht in ein kohärentes Ganzes packen lassen. Im Gegensatz zu einer Vorstellung von Natur als einer übergeordneten Entität, in welcher alle Teile den Naturgesetzen gehorchen und daher miteinander verbunden sind, schlägt Latour vor, Gaia als eine Vielzahl netzartiger, lückenhafter und schillernder Prozesse zu verstehen, in welchem jedes heterogene Element gleichzeitig das Ganze und ein Teil des Ganzen ist.

Im Lab und der Projektwoche wollen wir uns mit Ökosystemen aus der Perspektive der Gaia-These auseinandersetzen, dies mit ästhetischen Mitteln und im Dialog mit Vertreter:innen aus den Wissenschaften. Wenn menschliche und nichtmenschliche, organische und anorganische Akteure in ökologische Prozesse verwickelt sind: wo lässt sich dies ablesen, hören, sehen, sei es in städtischen oder ländlichen Landschaften, in Mikrokosmen wie dem Kräutertopf auf dem Balkon, dem Kühlschrank, einer Pilzkultur oder in den Bildern oder Imaginationen, die wir mit ihnen in Verbindung bringen? Mit welchen Verfahren lassen sich Auswirkungen menschlichen Handelns im dynamischen Gefüge von Stoffkreisläufen, von Lebensweisen oder von Natur:Kultur-Konstellationen wahrnehmen, beschreiben, modellieren, vielleicht sogar beeinflussen?

Als Modellfall wählen wir das Entlebuch, das von der Unesco 2001 als erstes Biosphärenreservat der Schweiz ausgezeichnet wurde. Mit der Biosphäre Entlebuch befassen sich im selben Zeitraum auch Studierende und Dozierende der Masterstudiengänge Umwelt- und Agrarwissenschaften der ETH Zürich, mit denen wir uns sporadisch austauschen werden und die ihrerseits einen Zugang unter der allgemeinen Thematik «Kultur und Umwelt» wählen. Unter Biosphärenreservaten werden «living laboratories» bzw. «theatres for reconciling people and nature» verstanden (Unesco 1995), in welchen einzigartige Landschaften und Naturräume, Ökosysteme und Biodiversität erhalten und Wege zu einer nachhaltigen Entwicklung und Bewirtschaftung erprobt und modellhaft vorgelebt werden. Das Entlebuch tut dies beispielhaft und wurde daher 2011 zu einer Unesco-«Modell-Biosphäre für die Welt» erhoben – gewissermassen zu einem Modell für Modellregionen.

Das Entlebuch ist ein «Reallabor», dessen Begriff «Realität» und «Labor» verbiundet und damit auf die Hybridität von Unternehmungen, die sich einerseits als wissenschaftlich verstehen, andererseits in der konkreten Lebenswelt verortet sind, verweist. Die wuselnde, partikulare und unberechenbare Wirklichkeit gerät damit in ein Spannungsverhältnis mit dem wissenschaftlichen Anspruch nach Überblickbarkeit, Kontrolle und verlässlichen, wiederholbaren Resultaten. Einen Modellcharakter erhalten Reallabore nämlich erst dann, wenn die an und in ihnen gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse Vorbildfunktion erhalten und in andere Kontexte, Räume und Dimensionen übertragen werden können.

Solche Parameter dienen dem Lab als Ausgangspunkt: Die Teilnehmenden definieren einzeln oder in Teams ein Untersuchungsfeld, in welchem (künstlerische) Verfahren zur Erforschung und Modellierung sozial-ökologischer Systeme entworfen und getestet werden. Während des Semesters (Lab 14-täglich inkl. 2 Blocktagen) werden Verfahren und Modelle beispielhaft anhand von Recherchen im näheren geographischen Umfeld entworfen. Die Biosphäre Entlebuch dient uns dabei immer wieder als Vergleichsgrösse. Während der Projektwoche verfeinern wir diese Zugänge in Feldstudien im Entlebuch selbst. Und gleichzeitig fragen wir uns: Was macht die Region, was ein Verfahren oder eine Praktik zum Modellfall?

(E)
What should we do when we are confronted with an ecological crisis that does not resemble any of the previously known crises? What should we do when the questions involved are far too big? To counteract our feelings of powerlessness and guilt in the age of the "Anthropocene", Bruno Latour proposes to rethink prevailing notions of our planet and to break away from the image of the "blue planet" that is only offered to a view from outside, a view from nowhere. The "Gaia-graphy" that Latour develops assumes an Earth as a heterogeneous phenomenon generated by the actions and interactions of many different agents, living and non-living, that cannot be packed into a coherent whole. In contrast to a notion of nature as an overarching entity in which all parts obey the laws of nature and are therefore interconnected, Latour proposes to understand Gaia as a multiplicity of web-like, patchy and iridescent processes in which each heterogeneous element is simultaneously the whole and a part of the whole.

In the lab and the project week, we want to deal with ecosystems from the perspective of the Gaia thesis, using aesthetic means and in dialogue with representatives from the sciences. If human and non-human, organic and inorganic actors are involved in ecological processes: where can this be read, heard, seen, be it in urban or rural landscapes, in microcosms such as the herb pot on the balcony, the refrigerator, a mushroom culture or in the images or imaginations we associate with them? Which methods can be used to perceive, describe, model and perhaps even influence the effects of human action in the dynamic structure of material cycles, ways of life or nature:culture constellations?

As a model case we choose the Entlebuch, which was designated as Switzerland's first biosphere reserve by Unesco in 2001. During the same period, students and lecturers of the Master's programmes in Environmental and Agricultural Sciences at the ETH Zurich will also be dealing with the Entlebuch biosphere, with whom we will exchange ideas sporadically and who, for their part, will choose an approach under the general topic of "Culture and Environment". Biosphere reserves are understood as "living laboratories" or "theatres for reconciling people and nature" (Unesco 1995), in which unique landscapes and natural areas, ecosystems and biodiversity are preserved and ways of sustainable development and management are tested and exemplified. The Entlebuch does this in an exemplary manner and was therefore elevated to a Unesco "Model Biosphere for the World" in 2011 - to a certain extent a model for model regions.

The Entlebuch is a "real laboratory" whose term combines "reality" and "laboratory" and thus refers to the hybridity of undertakings that on the one hand see themselves as scientific and on the other hand are located in the concrete living world. The scurrying, particular and unpredictable reality thus enters into a relationship of tension with the scientific claim to overview, control and reliable, repeatable results. Real labs only take on a model character when the experiences and findings made at and in them can serve as a role model and be transferred to other contexts, spaces and dimensions.

Such parameters serve as a starting point for the lab: the participants individually or in teams define a field of investigation in which (artistic) procedures for researching and modelling social-ecological systems are designed and tested. During the semester (Lab 14-days incl. 2 block days), procedures and models are designed exemplarily on the basis of research in the closer geographical environment. The Entlebuch Biosphere serves as a point of comparison. During the project week we refine these approaches in field studies in the Entlebuch itself. And at the same time we ask ourselves: What makes the region, what makes a process or a practice a model case?
Bibliographie / LiteraturBiosphäre Entlebuch: https://www.biosphaere.ch/de/
Termine20. bis 24. Juni
Dauer5-tägige Exkursion
Bewertungsformbestanden / nicht bestanden
BemerkungDer Workshop findet auf Deutsch und Englisch statt.
The workshop will be held in German and English.

(D) Logistik und Kosten: Während 5 Tagen (4 Übernachtungen) werden wir in einer Gruppenunterkunft im Entlebuch wohnen.
Die Teilnehmenden übernehmen die Hälfte der Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Transport (mit Halbtax) von max. 250 CHF. Interessierte Studierende, die den Betrag nicht aufbringen können, melden sich bitte vorgängig bei den Dozierenden. (Genaue Daten sowie die Höhe des Unkostenbeitrags, der vor der Reise bezahlt werden muss, werden den eingeschriebenen Studierenden zu Beginn des Semesters mitgeteilt).

E) Logistics and costs: During 5 days (4 nights) we will stay in a group accommodation in the Entlebuch.
Participants will cover half of the costs for accommodation, meals and transport (with half-fare card) of max. 250 CHF. Interested students who cannot afford this amount should contact the lecturers in advance. (Exact dates and the amount of the contribution to expenses, which must be paid before the trip, will be communicated to the registered students at the beginning of the semester).