Seminar 1: Denkbilder (gLV) 

«In einer verschlüsselnden Ecke meines Geistes glaube ich immer noch, dass jede Zeile in jedem Gedicht die verwaiste Bildunterschrift einer verlorenen Fotografie ist. Nach einer verwandten Logik sitzt jede Fotografie im Vorzimmer der Rede.» Teju Cole: Blinder Fleck, 2017.

“In one enciphering corner of my mind I believe still that every line in every poem is the orphaned caption of a lost photograph. By a related logic, each photograph sits in the antechamber of speech.” Teju Cole: Blind Spot, 2017.

Wird auch angeboten für

Nummer und TypMTR-MTR-1002.22F.001 / Moduldurchführung
ModulSeminar 
VeranstalterDepartement Kulturanalysen und Vermittlung
LeitungIrene Vögeli und Dominique Raemy
ZeitDo 24. Februar 2022 bis Do 31. März 2022 / 9:15–12:30 Uhr
OrtSeminarraum ZT 4.T09 Toni-Areal, Seminarraum ZT 4.T09, Pfingstweidstrasse 96, 8005 Zürich
Anzahl Teilnehmendemaximal 26
ECTS2 Credits
LehrformSeminar mit Lektüren, Text-Bildbesprechungen und Übungen
ZielgruppenWahlpflicht für Studierende MA Transdisziplinarität und MA Art Education, Vertiefung Kulturpublizistik.

Geöffnete Lehrveranstaltung für Studierende anderer Studiengänge der ZHdK. Einschreibung über ClickEnroll https://intern.zhdk.ch/?clickenroll
Inhalte[English below]

Bilder zur Textillustration, Texte zur Erläuterung von Bildern, Sprachbilder, Schriftbilder, Bildtexte und Textbilder – in wechselnden Konstellationen loten ästhetische Praktiken das Verhältnis von Bild und Text aus. Dabei ist dieses Verhältnis oft ungemütlich, weil sich beide Seiten gegen mediale und disziplinäre Vorurteile wehren müssen: das Bild sei bloßer Schein – der Text ignoriere seine eigene Materialität; dem Bild mangle es an Erkenntnis – der Text übersehe das Sprachlose … Vor allem aber der Vorrang des Sprachlichen in der Theorie erschwert eine Einschätzung des Potenzials von Bild-Text-Interaktionen.
Gegen solche Kategorisierungen stellte sich Walter Benjamin mit seinen «Denkbildern», Textminiaturen, die in den 1920er- und 1930er-Jahren in der Frankfurter Zeitung veröffentlicht wurden und konventionelle Genre-Grenzen zwischen Philosophie, Literatur und Journalismus sprengten. Es sind Versuche einer «anschaulichen Erkenntnis», die literarisch-poetische Form und philosophisch-theoretische Reflexion zusammenführen. Diese Denkbilder dienen dem Seminar gleichsam als Richtschnur, die uns in die Gegenwart, etwa zu Teju Coles Foto-Essays oder Saidiya Hartmans kritischer Fabulation führt.
Uns interessieren Bild-Text-Konstellationen, welche gängige Zuweisungen befragen oder überschreiten und damit die Spezifik einer «zeigenden» Bild- und einer «sagenden» Textpraxis unterlaufen: Was können Bilder dem Text sagen? Was vermögen Texte dem Bild zu zeigen? Und welche Mischformen ästhetischer und diskursiver, bildhafter und argumentativer Sprech- und Darstellungsweisen werden dadurch möglich?

Im Seminar werden wir uns verschiedene Bild-Text-Verhältnisse aus unterschiedlichen Disziplinen anschauen und darüber nachdenken, in welcher Weise die beiden Modi aufeinandertreffen, wo ihre Differenzen liegen und wie diese für eigene Bild-Text-Konstellationen, die in Übungen und Versuchen erprobt werden, fruchtbar gemacht werden können.



Images illustrating texts, texts explaining images, language images, written images, image texts and text images – in changing constellations, aesthetic practices explore the relationship between image and text. This relationship is often uncomfortable because both sides have to defend themselves against medial and disciplinary prejudices: the image is mere appearance – the text ignores its materiality; the image lacks cognition – the text overlooks the unsayable … Above all, however, the primacy of the linguistical in theory makes it difficult to assess the potential of image-text interactions.
In opposition to such categorizations Walter Benjamin set his “Denkbilder” (thought-images). His text-miniatures, published in the Frankfurter Zeitung in the 1920s and 30s, broke down conventional genre boundaries between philosophy, literature and journalism. They are attempts at an “intuitive knowledge” that bring together literary-poetic form and philosophical-theoretical reflection. These thought-images serve as a guideline for the seminar, leading us into the present, to Teju Cole’s photo-essays or Saidiya Hartman’s critical fabulation.
We are interested in image-text constellations that question or transgress common attributions and thus undermine the specificity of a “showing” image practice and a “saying” text practice: What can images tell the text? What can texts show the image? What mixed forms of aesthetic and discursive, pictorial and argumentative modes of speech and representation are made possible by this?

In this seminar, we will look at various image-text relationships from different disciplines and reflect on how the two modes meet, where their differences lie and how these can be made fruitful for our own image-text constellations, which we will explore in exercises.
Leistungsnachweis / Testatanforderung80% Anwesenheit, aktive Mitarbeit, Erfüllen der im Seminar gestellten Aufgaben
80% attendance, active participation, completion of the tasks set in the seminar
TermineDonnerstagvormittag 24.2. / 3.3. / 10.3. / 17.3. / 24.3. / 31.3. jeweils 09:15–12:30 h
Dauer6 Vormittage im 1. Quartal
Bewertungsformbestanden / nicht bestanden
BemerkungUnterrichtssprachen des Seminars sind Englisch und Deutsch.
The seminar will be held in English and German.
Termine (6)