Junge Helden, alter Hase

Am Ende einer intensiven Probewoche zeigte das Orchester der Zürcher Hochschule der Künste sein stupendes Können – was auch ein Verdienst des Dirigenten war, der die Jugendkraft um Erfahrung ergänzte.

Felix Michel
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Ralf Weikert dirigiert das Orchester der Zürcher Hochschule der Künste – und hat ein aufschlussreiches Buch geschrieben. (Bild: Oli Rust / PD)

Ralf Weikert dirigiert das Orchester der Zürcher Hochschule der Künste – und hat ein aufschlussreiches Buch geschrieben. (Bild: Oli Rust / PD)

Was könnte zu Richard Strauss’ flamboyanter Tondichtung «Ein Heldenleben» besser passen als ein energiegeladenes Orchester aus Musikstudenten? Nie scheint das technische Niveau höher als während des Studiums, nie wird mit mehr Saft und Kraft musiziert. Bündelt dann noch ein Strauss-Kenner und -Könner wie Ralf Weikert die Kräfte, gerät das Resultat so mitreissend wie im Konzert des Orchesters der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) in der Tonhalle Maag.

Dubioser Bruckner

Zunächst erklang indes Anton Bruckners «Symphonisches Praeludium», das weder so heisst noch nachweisbar von Bruckner stammt. Aufs Programm geriet es wohl aus Neugier – und weil Zürich eine Nebenrolle in der undurchsichtigen Geschichte des Werkleins spielte: Volkmar Andreae, zu dessen vielen Verdiensten eine frühe Bruckner-Pflege zählt, liess das Stück 1949 vom Tonhalle-Orchester durchspielen, worauf dieses per Abstimmung kundtat, es stamme kaum von Bruckner – eine nachvollziehbare Einschätzung.

Danach folgten Arnold Schönbergs Orchestervariationen op. 31, von Weikert behutsam durch kurze Ruhepausen getrennt. Nicht immer funktionierte das – zugegeben diffizile – Balancieren der Einzelstimmen, auch verbanden sich im Forte weit auseinanderliegende Instrumente nicht optimal. Vielleicht stösst hier, bei gross besetzter Musik jener Stilepoche, der Saal an Grenzen? Vieles gelang jedoch gut, etwa die hörbar ausgefeilte achte Variation.

Schliesslich Strauss: Schwungvoll das Heldenthema, in leuchtenden Streicherfarben die Kontraste, sauber die beissenden Kritiker-Karikaturen, die Durchführung ein Gemetzel mit Gusto. Den liegenden Bläser-Mischklängen der verklärenden Schlusspassage fehlte notwendigerweise etwas die kollektive Erfahrung reiferer Orchester. Gerade solistisch brillierten die Blasinstrumente aber durchwegs. Eine Besetzungsliste im Programmheft wäre daher nett gewesen; auf die Nennung der Konzertmeisterin zu verzichten, ist bei diesem verkappten Violinkonzert nachgerade sträflich. Anne Solveig Weber meisterte ihre Partie mehr als bravourös – nämlich als innige Charakterdarstellerin, von Weikert mit der Agilität des versierten Operndirigenten begleitet, der er ja auch ist.

Beruf: Dirigent

Seine Erfahrungen und Überzeugungen hat Weikert übrigens soeben in einem Buch versammelt. Wie der Titel «Beruf Dirigent» bereits anzeigt, wird darin das Handwerklich-Erlernbare des Metiers betont. Dies hat eine gute, nicht zuletzt über Strauss führende Tradition, und mit ihr einher geht das Selbstverständnis des Dirigenten als treuen Anwalts der Partitur. Wie ihr Gegenbild – der geniale, ins Werk eingreifende Pult-Exzentriker – birgt auch diese Haltung die Gefahr, ideologische Pose zu werden. Doch so eingestandenermassen «altmodisch» das Buch ist, so erfrischend oft zeigt sich der Autor aufgeschlossen. Spannend wird es immer dort, wo er nötige Partitur-Eingriffe erläutert – wo also der gewiefte Praktiker Weikert dem apodiktischen Werk-Anwalt Weikert auf der Suche nach dem «wahren Geist» in die Quere kommt.

Schnörkellos und sehr zugänglich ist das übersichtliche Buch geschrieben. Es bietet u. a. Einblicke in den Opernbetrieb und in Musik von Händel bis Henze, natürlich auch Erinnerungen an die Zürcher Ära Drese/Weikert und manche Anekdote im Gewand einer Weisheit. Anderes bleibt ausgespart, etwa musikwissenschaftliche Interpretations-Forschung, die es unterdessen durchaus gäbe – aber auch jedes böse Wort: in einem diskret autobiografischen Buch ein Zeichen der Grösse.

Ralf Weikert: Beruf Dirigent. Böhlau-Verlag, Wien 2017. 189 S., Fr. 29.90.

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