Hellwaches Musizieren

Sonst kein Liebkind des Konzertbetriebs, kommt Paul Hindemith diesen Herbst in Zürich gleich mehrfach zu Ehren. Die Tonhalle-Gesellschaft setzt seine Musik in diversen Konzerten aufs Programm; die Hochschule für Musik und Theater (HMT) befasst sich in einer Studienwoche mit seinem

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Sonst kein Liebkind des Konzertbetriebs, kommt Paul Hindemith diesen Herbst in Zürich gleich mehrfach zu Ehren. Die Tonhalle-Gesellschaft setzt seine Musik in diversen Konzerten aufs Programm; die Hochschule für Musik und Theater (HMT) befasst sich in einer Studienwoche mit seinem Frühwerk (NZZ 21. 9. 05). Bereits mit dem Komponisten beschäftigt haben sich die Angehörigen der Orchesterakademie der Hochschule. Zweimal im Jahr treffen sich fortgeschrittene Studierende, um sich, unterstützt von Mitgliedern des Tonhalle-Orchesters, in der hohen Schule des Kollektivspiels zu üben.

Das Resultat der Proben, in denen so gegensätzliche Komponisten wie eben Hindemith und Claude Debussy erarbeitet wurden, durfte sich im Grossen Saal der Tonhalle hören lassen. Nach einem Einstieg mit der Sinfonie e-Moll Hob. I:44 von Joseph Haydn war in den heiklen Anfangstakten von Hindemiths «Mathis der Maler» noch einige Unsicherheit spürbar. Unter der Leitung von Heinz Holliger wich sie alsbald konzentrierter Spielfreude, so dass die Sinfonie, die in drei Sätzen zentrale Szenen aus der gleichnamigen Oper zusammenfasst, zur kraftvollen Darstellung kam. Eindringlich gelang der Beginn des Finales, den Holliger mit unerhörter Spannung auflud, die sich dann im wilden Galopp entlud. Wie klangsinnlich und gar nicht so spröde Hindemiths Werk aber auch ist, war im langsamen Satz mit seinen fein abgemischten Farben zu hören.

Wie viel Bewegungsenergie anderseits in Debussys Musik steckt, bewies das Orchester nach der Pause. Nicht nur die ausgelassenen «Fêtes» zeigten markantes rhythmisches Profil; auch der Sirenengesang des Schlusssatzes offenbarte mannigfaltige Bewegungsmuster. Das inmitten des Orchesters placierte Vokalensemble der HMT (Einstudierung Karl Scheuber und Anna Jelmorini) verlieh dem wachen nächtlichen Spektakel mit schlanker Stimmgebung und atmender Phrasierung einen Hauch kühler Erotik.

Jürg Huber

Zürich, Tonhalle, 22. September.